Spinale Muskelatrophien (SMA)
Diagnosestellung und Behandlung bei SMA Patienten
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Leitfaden für Familien und Hausärzte (pdf)
Weiterführende Informationen für:
Leitfaden zu den Internationalen Therapiestandards für Spinale Muskelatrophie, können Sie hier herunterladen.
Erklärvideo Spinale Muskelatrophie (SMA) ©Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. DGM
Was sind Spinale Muskelatrophien?
Unter dem Begriff «Spinale Muskelatrophien» wird eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Krankheiten zusammengefasst, denen ein fortschreitender Untergang von motorischen Vorderhornzellen im Rückenmark gemeinsam ist. Damit können die Impulse vom Gehirn nicht mehr via Vorderhornzellen über die Nerven (Axone) an die angeschlossenen Muskeln weitergeleitet werden, woraus Muskelschwund (Muskelatrophie), Lähmungen (Paresen) und verminderte Muskelspannungen (Muskelhypotonie) resultieren.
Somit entsteht durch ein Nevenzelluntergang (Vorderhornzellen) im Rückenmark (spina) eine Muskelstörung, deshalb der Name Spinale Muskelatrophie. Einige Hirnnerven im Bereich des Hirnstammes sind von der Entwicklung her den Vorderhornzellen im Rückenmark gleichzusetzen, wenn diese Neurone des Hirnstammes mitbetroffen sind, kommt es ausserdem zu Einschränkungen der Sprech-, Kau- und Schluckfunktionen. Da andere Organsysteme im Allgemeinen nicht beteiligt sind, gibt es keine weiteren Veränderungen wie zum Beispiel Empfindungsstörungen, Probleme mit dem Sehen oder Hören. Auch die Funktion der inneren Organe sowie von Blase und Darm bleibt erhalten. Die geistige Leistungsfähigkeit wird ebenfalls nicht beeinträchtigt, es gibt sogar Hinweise, dass Patienten mit spinaler Muskelatrophie als Gruppe leicht überdurchschnittliche
kognitive Leistungen erbringen. Es gibt jedoch zahlreiche, meist
sehr seltene Formen, die teilweise mit zusätzlichen Funktionsstörungen einhergehen.
Verschiedene Formen der SMA/Symptome
Die einzelnen Formen der spinalen Muskelatrophien werden nach Verteilungsmuster, Erkrankungsbeginn, Schweregrad und Vererbungsmuster unterschieden und in der Regel nach den hauptsächlich betroffenen Muskelgruppen bezeichnet. Es gibt zahlreiche, meist sehr seltene Formen, die teilweise mit zusätzlichen Funktionsstörungen einhergehen und hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden können. Grundsätzlich können zwei Gruppen unterschieden werden, die sich in den zuerst betroffenen Muskelpartien unterscheiden, die proximale und die nichtproximale SMA:
Die proximale SMA
Die grosse Mehrzahl (zirka 90 Prozent) der spinalen Muskelatrophien bildet die Gruppe der proximalen SMA, die durch einen Beginn der Muskelschwäche in rumpfnahen, d.h. proximalen Muskelgruppen, vor allem Oberschenkel-, Hüftmuskeln, später auch Arm- und Schultergürtelbeteiligung, charakterisiert ist. Die proximale SMA wird in verschiedene Untertypen eingeteilt, die in erster Linie nach dem Erkrankungsbeginn, den erlernten motorischen Fähigkeiten und der Lebenserwartung definiert sind. Die verschiedenen Lehrmeinungen zu den Klassifi kationen haben sich zum Teil widersprochen und zu langen Diskussionen geführt, so dass vor einigen Jahren eine internationale Arbeitsgemeinschaft (Internationales SMA Konsortium) gegründet worden ist, um einerseits die wichtigsten Merkmale einer proximalen SMA zu defiieren (siehe Diagnosestellung) und andererseits die verschiedenen Typen einheitlich festzulegen. Diese Typenfestlegung der internationalen SMA Arbeitsgruppe umfasst lediglich die Typen I-III. Die nichtproximalen Formen sowie Typ IV und das Kennedy-Syndrom werden in der Klassifikation als Sonderformen betrachtet, siehe Übersicht:
Beginn/Symptomatik
- Bereits nach der Geburt
- Hypotonie, Muskelschwäche, Ateminsuffizienz
Genetik
Autosomal rezessiv
Beginn/Symptomatik
- Erkrankungsbeginn normalerweise innerhalb der ersten 6 Monate
- Sitzen ist nie möglich
- Tod in >90% der Fälle innerhalb 18 Monate
Genetik
Autosomal rezessiv
Beginn/Symptomatik
- Erkrankungsbeginn im ersten Lebensjahr
- Freies Sitzen wird erlernt, Gehen ohne Hilfe nie möglich
- Überlebensrate >90% nach 10 Jahren
Genetik
Autosomal rezessiv
Beginn/Symptomatik
- III a: Beginn <3 Jahre – III b: Beginn >3 Jahre
- Freier Gang und Stand möglich
- Milder Verlauf
- Lebenserwartung nicht deutlich reduziert
- Überwiegend Männer betroffen
Genetik
Meist autosomal rezessiv; autosomal dominant und X-chromosomal kommen auch vor
Beginn/Symptomatik
- Erkrankungsbeginn >30 Jahre
- Unterschiedlicher Verlauf
- Normale Lebenserwartung
Genetik
Autosomal dominant in ca. 70%; autosomal rezessiv in ca. 30% (sehr mild)
Nichtproximale SMA
Es gibt ausserdem eine Vielfalt von sehr seltenen weiteren SMA, deren Auswirkungen auf die verschiedenen Funktionen sehr unterschiedliche sein kann (leichte Beeinträchtigung bis Tod im Kleinkindalter). Die Symptome bei den nichtproximalen SMA treten nicht zuerst im rumpfnahen Bereich auf. Man unterscheidet dabei Formen wie zum Beispiel die distale SMA bei der die Muskelschwäche im Bereich der Hand- und Fussmuskulatur beginnt die skapuloperoneale SMA mit Betonung der Schulter-
und Unterschenkelmuskeln oder auch solche mit Mitbefall der Atemmuskulatur (SMA with respiratory distress abgekürzt SMARD).
Die meisten Formen sind erblich und folgen entweder einem autosomal rezessiven oder einem autosomal dominanten Erbgang. Daneben gibt es spezielle Untertypen, bei denen vermutlich eine angeborene Veränderung im Rückenmark für die Symptome
verantwortlich ist und die nicht erblich sind.
Der Typ Kennedy
Aufgrund seiner Vererbung – als ausschliesslich X-chromosomal rezessiv vererbte SMA – ist der Kennedy Typ ein Ausseinseiter unter den spinalen Muskelatrophien und wird hier kurz gesondert dargestellt. Das allmähliche Absterben der spinalen Vorderhornzellen führt zum Abbau von Muskelfasern, die nicht mehr durch die abgestorbenen motorischen Nerven versorgt werden. Dabei sind zunächst ebenfalls proximale Bereiche betroffen. Da neben den Vorderhornzellen auch die Hirnnerven beteiligt sind, schliesst der Muskelabbau Kehlkopf, Kaumuskulatur, die Zunge und die Gesichtsmuskeln ein. Die Krankheit schreitet wie andere SMA Typen jedoch schleichend fort und ist bisher nicht ursächlich therapierbar.
Der Erkrankungsbeginn erfolgt im Erwachsenenalter, meist sind die Betroffenen über 30 Jahre, es gibt jedoch auch andere Vorkommnisse zwischen dem 20. und dem 60. Lebensjahr. Die Symptome zeigen sich in einer Muskelschwäche der zunächst proximalen Beinmuskulatur, die sich später auf distale Partien ausbreitet. Des Weiteren treten Faszikulationen, Muskelkrämpfe, Lähmungserscheinungen auf. Manche Patienten erleiden auch den Stimmritzenkrampf, wobei es zu einem Verschluss des Kehlkopfes kommt, durch den das Einatmen vorübergehend unmöglich ist. Bei entsprechendem klinischen Verdacht ist die Diagnose durch eine genetische Untersuchung relativ leicht zu stellen.
Vererbung
Autosomal rezessive SMA
Die Genveränderungen der fünf Subtypen der proximalen SMA sind alle am gleichen Ort auf Chromosom 5 gelagert und es handelt sich mehrheitlich um eine autosomal rezessive Vererbung. Bedingt durch die autosomal rezessive Vererbungsform sind in in vielen Familien vor Bekanntwerden der Diagnose einer SMA bei einem Angehörigen keine Hinweise auf Muskelerkrankungen zu fi nden. Dies trifft insbesondere für die häufige proximale SMA des Kindesalters zu, die in mehr als 90 Prozent der Fälle einem so genannt autosomal rezessiven Erbgang folgt.
Bei einem autosomal rezessiven Erbgang tragen erkrankte Personen zwei veränderte Anlagen, die sie sowohl von ihrem Vater als auch von ihrer Mutter geerbt haben. Beide Eltern sind gesund, da sie neben einer veränderten Anlage über eine normale Anlage verfügen, die den Fehler der «ungünstigen» überdeckt.
Die Krankheit kommt also nur dann zum Vorschein, wenn ein Kind von beiden Eltern das veränderte Gen erhalten hat. Bei weiteren Nachkommen können nun die normale und die veränderte Anlage in beliebiger Kombination auftreten, ohne dass man dies beeinfl ussen könnte. Dies bedeutet statistisch gesehen, dass nach der Geburt eines Kindes mit einer autosomal rezessiven Erkrankung ein Wiederholungsrisiko von 25 Prozent besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Kinder erkranken, liegt demnach bei 1:4, unabhängig davon, wie viele Kinder bereits betroffen sind oder wie viele gesunde Kinder in einer Familie zuvor geboren wurden.
Autosomal dominante und andere Erbgänge
Es gibt einige Familien, in denen die SMA autosomal dominant vererbt wird. Vor allem bei Formen, die erst im Erwachsenenalter beginnen (Typ IV), liegt häufig ein dominanter Erbgang vor, bei dem eine «ungünstige» Anlage auf einem der Chromosomen ausreicht, um die Erkrankung auszulösen. Die Krankheit wird in
diesen Fällen von Generation zu Generation weitervererbt, jeder Betroffene gibt dann die veränderte Anlage statistisch an die Hälfte seiner Nachkommen weiter. Diejenigen Verwandten, die die verantwortliche Anlage nicht geerbt haben, können sie auch nicht auf ihre Kinder übertragen.
Obwohl autosomal dominante Vererbung bei SMA-Formen des Kindesalters äusserst selten ist, kann derzeit noch nicht ausgeschlossen werden, dass vor allem ein Teil der milderen Verlaufsformen (SMA Typ III) auf dem Boden einer neu entstandenen Veränderung einer Erbanlage (Neumutation) beruht. Insbesondere in denjenigen Fällen, bei denen keine homozygote Deletion der telomerischen Kopie des SMN-Gens vorliegt, kann eine neu entstandene autosomal dominant erbliche Form nicht ausgeschlossen werden. In diesen Fällen ist von einem deutlich erhöhten Erkrankungsrisiko für Kinder auszugehen.
Da eine klinische Unterscheidung zwischen den autosomal rezessiven und dominanten Formen praktisch nicht möglich ist, kommt der genetischen Beratung mit Erhebung eines Familienstammbaumes sowie molekulargenetischen Untersuchungsbefunden eine erhebliche Bedeutung zu. Für die dominante SMA steht uns noch keine DNA-Diagnostik zur Verfügung; der Genort auf Chromosom 5 ist zumindest nicht für die Formen mit Beginn im Erwachsenenalter verantwortlich. Die Diskussion macht deutlich, dass zur Abschätzung von Erkrankungsrisiken in jedem Falle eine humangenetisch ausgebildete Fachperson befragt werden sollte. Ausserdem kommt unter den spinalen Atrophien mit dem Kennedy Syndrom auch die X-chromosomal rezessive Vererbung vor, d.h. es erkranken in aller Regel nur Männer. Erkrankte Männer geben die fehlerhafte Erbinformation auf dem X-Chromosom an ihre Töchter weiter, die ihrerseits aber nicht erkranken. Sie vererben das Gen an ihre Söhne, die in ca. der Hälfte der Fälle die Erbinformation übenehmen.
Da eine genetisch bedingte Erkrankung in den Familien meist viele Fragen hervorbringt, ist eine genetische Beratung von Betroffenen und/oder deren Angehörigen sinnvoll.
Diagnosestellung
Zuständig für die Diagnosestellung sind bei den Formen des Kindesalters die KinderärztInnen mit Schwerpunkt im Fachbereich der Neuropädiatrie und im Erwachsenenalter NeurologInnen. Zu Beginn einer weiterführenden Diagnostik steht eine ausführliche körperliche Untersuchung, bei der unter anderem die Muskelkraft in den verschiedenen Muskelgruppen, die Muskelspannung und das Vorhandensein der muskeleigenen Reflexe geprüft werden. In jedem Falle sollten Funktionsstörungen anderer Organsysteme ausgeschlossen werden, denn es gibt Krankheiten, die der SMA sehr ähnlich sind, aber eine andere Ursache haben. Nach einer Blutabnahme werden schliesslich neben den üblichen Laborwerten auch spezielle Muskelenzyme getestet, hier vor allem die Kreatinkinase CK-Aktivität. Im Unterschied zu vielen Muskelkrankheiten im eigentlichen Sinne (Muskeldystrophien) finden sich bei den SMA meist normale CK-Werte, sie können jedoch geringfügig erhöht sein (maximal
bis zum Zehnfachen der Norm).
Wenn der Ort der Funktionsstörung klinisch nicht sicher definiert werden kann, ob primär der Muskel betroffen ist oder ob die Störung von den zuleitenden Nerven herrührt, kann eine Elektromyografie (EMG) und eine Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) durchgeführt werden. Oftmals ist es aufgrund dieser Untersuchungen bereits möglich, eine SMA von anderen neuromuskulären Erkrankungen zu unterscheiden.
Heute seltener, aber manchmal notwendig, ist eine feingewebliche Untersuchung des Muskelgewebes (Muskelbiopsie). Bei vielen Erkrankungen zeigen sich charakteristische Veränderungen in der Muskelbiopsie, die es im Allgemeinen erlauben, eine SMA von primären Muskelkrankheiten abzugrenzen. Molekulargenetische Untersuchungsmethoden (Genotypendiagnostik) ermöglichen bereits heute durch den Nachweis einer spezifischen Veränderung auf dem Chromosom 5 (Stückverlust oder Deletion) im Bereich des SMN-Gens die Diagnosestellung einer klassischen SMA. Bei fehlendem Nachweis der typischen Veränderung ist jedoch ein Krankheitsausschluss mit Sicherheit nicht möglich. Des Weiteren wird bei der indirekten Genotypdiagnostik
der Bereich, der das Gen für die SMA enthält, in einer Familie mit Hilfe genetischer Marker zurück verfolgt. Diese wird heute neben der SMN Analyse praktisch ausschliesslich im Rahmen einer vorgeburtlichen Diagnostik durchgeführt.
Voraussetzung für eine vorgeburtliche Diagnostik ist immer eine vorangehende humangenetische Beratung der Eltern, bei der unter anderem eine genaue Information über die Möglichkeiten und Grenzen der geplanten Untersuchungen erfolgt. Bei typischen klinischen Symptomen kann so allenfalls direkt die Diagnose gestellt werden.
Therapeutische Massnahmen Da die Ursache für die Genveränderungen, die eine SMA hervorrufen, nicht bekannt ist, steht uns eine ursächliche Therapie leider nicht zur Verfügung. Es gibt bis heute keine Behandlungsform, die ein Fortschreiten der Muskelschwäche verhindern oder die Krankheit zum Stillstand bringen könnte. Getreu nach dem Motto «Gegen SMA kann man nichts machen, aber viel tun» sollte man in jedem Falle die Möglichkeiten der symptomatischen Therapiemassnahmen kennen und nutzen. Im Vordergrund steht die physiotherapeutische Behandlung, mit der die noch vorhandene Muskelkraft und die Gelenkbeweglichkeit unterstützt werden. Die Folgen der zunehmenden Veränderungen der Muskulatur können so eingeschränkt, bzw. kompensiert werden.
Durch Physiotherapie können Bewegungsabläufe so verbessert werden, dass sie möglichst wenig Kraft erfordern. Ebenfalls kann die Beweglichkeit durch Verbinden von erschwerenden Kontakturen optimiert werden. Wichtig ist auch der sinnvolle Einsatz adäquater Hilfsmittel. Damit soll grösst mögliche Selbständigkeit und Beweglichkeit für
den Alltag entwickelt und erhalten werden. Aufgrund der unterschiedlichen Krankheitsverläufe gibt es weder eine allgemein gültige Therapieform (Methode) noch verbindliche Therapiepläne. Die Behandlung soll überwiegend dynamisch und funktionell ausgerichtet sein.
Die Behandlung konzentriert sich auf:
Bei schwer eingeschränkten PatientInnen, die aktive Bewegungen nicht mehr in grösserem Umfang durchführen können, sind passives Durchbewegen und Dehnungsübungen zur Vorbeugung von Gelenkversteifungen empfehlenswert. Physiotherapeutische Übungen sollen möglichst täglich während kürzeren Zeiten durchgeführt werden. Der Physiotherapeutin kommt vor allem die Rolle zu, die Patienten und Eltern zur Selbstdurchführung der Übungen anzuleiten. Sollte eine Behandlungsform gerade bei kleinen Kindern Schmerzen oder Unbehagen erzeugen, ist es nicht sinnvoll, sie um jeden Preis fortzusetzen. Das physiotherapeutische Konzept sollte mit der betreuenden Ärztin abgesprochen werden und auf die individuelle Situation angepasst werden. Eine vermindernde Atemfunktion stellt sich meist schleichend ein. Es kommt zu nächtlicher Minderatmung mit ansteigenden CO2-Werten gegen Morgen und später auch CO2-Verminderung in der Nacht. Dies führt zu vermehrter Müdigkeit und Leistungsverminderung am Tag, teilweise verbunden mit Kopfschmerzen. Subjektiv wird das langsame Auftreten meist nicht realisiert.
Wenn Hinweise auf eine nächtliche Sauerstoffunterversorgung besteht, sollte in Absprache mit einem erfahrenen Arzt entsprechende Abklärung und dann allenfalls eine Heimbeatmung in Erwägung gezogen werden. Die Schwäche der Atemmuskulatur begünstigt das Auftreten von Atemwegsinfektionen, die zu schwerwiegenden Komplikationen führen können. Regelmässige Atemtherapie kann dies positiv beeinfl ussen. Zum Einsatz können auch spielerisches Atemtraining (zum Beispiel Flöte spielen) oder gezielte Übungen mit einem Atmungsgerät kommen. Eine frühzeitige Behandlung zum Beispiel mit Antibiotika hilft vielfach, schwerwiegende Infektionen zu beherrschen. Zur Vorbeugung ist es sinnvoll, sich gegen Kinderkrankheiten, häufige Erreger von Lungenentzündungen sowie Grippe impfen zu lassen. Es gibt keine Hinweise dafür, dass eine Impfung den Krankheitsverlauf nachhaltig ungünstig beeinflusst, wogegen die Komplikationen bei durchgemachten Kinderkrankheiten nach Möglichkeit zu vermeiden sind.
Ein grosses Problem bei der proximalen SMA stellt die zunehmende Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) dar, da sie die Atmungsfunktion zusätzlich einschränkt. Hier ist eine rechtzeitige Behandlung von grosser Bedeutung, wobei über die Möglichkeit einer operativen Versteifung der Wirbelsäule zur langfristigen Stabilisierung des Rumpfes mit einem Spezialisten gesprochen werden sollte. Durch die regelmässige Verwendung von Hilfsmitteln kann die noch vorhandene Muskelkraft wirksam gefördert und die Beweglichkeit beziehungsweise der Aktionsradius entscheidend verbessert werden. Hier müssen betroffene Familien zusammen mit betreuenden Ärztinnen und Physiotherapeuten überlegen, ob und welche Hilfsmittel eingesetzt werden sollen (zum Beispiel Sitzschale oder Korsett als Sitzhilfen; orthopädisches Schuhwerk, Stehbrett, Schienen, Swivelwalker als Geh- und Stehhilfen; Rollstuhl zur Fortbewegung; Lifter, Toiletten- und Badehilfen für die Versorgung zu Hause).
Auch wenn eine effektive Therapie zur Heilung der SMA derzeit noch nicht angeboten werden kann, so hängt viel von der Lebenseinstellung der betroffenen Person und ihrem Umfeld ab, inwieweit sie sich durch die Muskelschwäche eingeschränkt fühlt. Trotz vieler Schwierigkeiten, die Körperbehinderten in unserer Gesellschaft begegnen, liegt es vielfach an der Einstellung und der positiven Lebensenergie der PatientInnen, wie sie ihren Weg gehen und ihre Fähigkeiten nutzen. Da die geistige Entwicklung nicht beeinträchtigt ist, sind eine gute schulische Bildung und intellektuelle Förderung von grosser Bedeutung.
Quelle: Eine Broschüre der Schweizerischen Muskelgesellschaft
Copyright 3. Auflage (08/2011)
Herzlichen Dank der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke DGM e.V. für die Kooperation und Prof. Dr. med. Maja Steinlin für die wissenschaftliche Überarbeitung.
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